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Ein Problem blieb: Wie konnten Ingenieure neue Modellvorstellungen akzeptieren, ohne zu wissen, ob sie sich in der Praxis bewährten? Sollten sie besser auf altbewährte Modelle zurückgreifen und die Anlagen allenfalls verbessernd modifizieren und ausrüsten? In der Kürze der Zeit liessen sich kaum ausreichend Erfahrungen sammeln. Aus diesem Grund entwickelte sich in der Wissenschaft ein völlig neues Verfahren: virtuell auf Plänen und Modellen geführte Schlachten (Abb. 15).

Ingenieure konnten in Traktaten nachvollziehbare Angriffe auf zuvor visualisierte Fortifikationen führen. Die Autoren beschrieben, von welcher Stelle aus sie mit welchen Mitteln und Methoden den Angriff beginnen, die Schanzgräben anlegen, Batterien ausrichten und die Belagerung vorantreiben würden. Der auf diese Weise attackierte Autor konnte in einer nachfolgenden Schrift darlegen, wie er reagieren, sich gegen Beschuss schützen, die Schanzarbeiten unterbinden, Attacken abwehren und eigene Gegenstürme organisieren und durchführen würde. Deskriptive Modellbelagerungen wurden ein fester Bestandteil der üppigen Fortifikationsliteratur des späten 17. Jahrhunderts. Im Grunde wurde nicht mehr nur die Wehrbaupraxis oder die Fortifikationstheorie, sondern der gesamte Festungskrieg zum Modellfall.

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