Zur Animation der Kristalle dienten auch die von Lehmann in Ausstellungen eingesetzten Projektionsapparate, die es erlaubten, die im Mikroskop sichtbaren Phänomene direkt auf eine Leinwand zu projizieren, sowie der Film, der ebenfalls in diesen Kontexten gezeigt wurde. Darüber hinaus hatten die Besucher die Möglichkeit, mittels dort verfügbarer Mikroskope selbst Beobachtungen an flüssigen Kristallen anzustellen - auch das diente dazu, die Kristalle gewissermassen in Aktion als lebhafte Akteure zu erfahren. Durch das dichte Netz an Bild- und Textverweisen, das solche mikroskopischen Beobachtungen innerhalb der Ausstellungen umgab, wurde gleichzeitig die Interpretation des Sichtbaren gesteuert und sichergestellt, dass der Besucher auch das sah, was Lehmann ihn sehen lassen wollte.
Die Gesamterfahrung   der   Ausstellung kontrahiert und       verdichtet das Verweissystem   Lehmanns  an  einem einzigen Ort. Das       ermöglichte es Besuchern, den    Referenzen zu  folgen und innerhalb       kürzester Zeit von Bild zu    Text, vom  stillgestellten zum  bewegten Bild      und vom Bild zur    mikroskopischen  Anschauung zu  gelangen. Aber auch   wo    nicht alle    Elemente in einem Raum   versammelt waren, sollte das      engmaschige    Verweissystem zwischen  den  unterschiedlichen Medien  sicher        stellen, dass die Phänomene  im Sinne  Lehmanns interpretiert  wurden:        nicht nur überhaupt  als flüssige  Kristalle, sondern auch  als      ‹scheinbar›   lebende  Entitäten, die Modelle  für Lebewesen und       Argumente für eine    mechanistische Auffassung des  Lebens darstellen. 
 
 Wichtig        war   deshalb nicht nur, dass man vom  Modell zum Bild gelangte,     dass    man sich   also eine evidente Anschauung  von der Lebhaftigkeit     der    Kristalle  machen  konnte. Ebenso wichtig  war, dass man vom    Bild   wieder   zum Modell  zurück  fand: dass man die     Lebendigkeitseffekte   als   Analogien verstand,  die sich  keiner     ontologischen Identität  von    Kristallen und Lebewesen  verdankten,      sondern der Möglichkeit  einer    mechanischen Erklärung beider     Objekte.
Haeckels ‹wirklich lebende Kristalle›
Lehmanns           Strategie war erfolgreich: Kristalle, und vor  allem flüssige         Kristalle,   wurden als Modelle innerhalb weniger  Jahre zu wichtigen  und          erfolgreichen Argumenten für die  Möglichkeit einer     mechanistischen       Erklärung biologischer  Phänomene. Das zeigt schon     alleine die       beträchtliche Energie,  die Vitalisten wie Hans    Driesch  aufwandten, um       deren  Lebensähnlichkeit zu widerlegen.
 
  Diese    Kontroverse kann    ich    hier nicht weiter verfolgen. 





