Selbstverständlich sind auch bei wissenschaftlichen Hirnbildern die Farbtöne nicht das Ergebnis raffinierter Forschungen, welche Farbigkeit den dargestellten Strukturen naturgemäß zukäme, sondern wie bei allen technischen Bildern aus dem Inneren des Kopfes spiegeln sie die technischen Möglichkeiten visueller Datenverarbeitung. Im farbenfrohen Poster der Anzeige dominierten Spiel und Abwechslung, aber auch bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen bleibt es letztlich eine Frage der Konvention, welche Farbe welchem Messwert zugeordnet wird. Die zu Werbezwecken verwendete Serie von Brainscans illuminiert auf diese Weise den Gestaltungszwang, den die modernen Visualisierungsverfahren ihren Benutzern auferlegen.
In vierzig Jahren Forschung mit computergenerierten Bilddaten haben sich dabei bestimmte Darstellungsstile und Sehgewohnheiten herausgebildet, von blau über rot zu gelb z.B. steigt üblicherweise die Aktivität. Dieses Farbsystem steuert zwar das Aussehen der Hirnbilder, verbleibt aber gewissermaßen nur auf der Oberfläche des Bildes. In epistemologischer Hinsicht erscheint es vergleichsweise unproblematisch, weil von der Farbwahl lediglich abhängt wie etwas gezeigt wird.
Die Konventionalität der Hirnbilder reicht aber weiter und bis in ihre Tiefenstruktur, denn auch die Rohdaten sind keineswegs unmittelbar gegeben, sondern erst das Ergebnis von technischen, wissenschaftlichen und kollektiven Entscheidungsprozessen, welche Verfahren mit welchen Justierungen, Filtern und Analyseschritten für welche Darstellungsoptionen und Fragestellungen kombiniert werden sollen. [14] Gleich was die Visualisierungen der modernen Hirnforschung zeigen oder zeigen sollen, bleiben sie durch das darzustellende Objekt nur unzulänglich definiert und finden ihre Form und Anschaulichkeit erst in einer komplexen Kompromissbildung zwischen Rohdaten und Darstellungskonventionen. In diesem Sinne basieren die jeweils aktuellen Hirnbilder auf der sedimentierten Geschichte der Erprobung und Etablierung von Visualisierungstechniken, die der modernen Wahrnehmung als ein «Optisch-Unbewusstes», wie Walter Benjamin diesen Zusammenhang fasste, [15] unsichtbar eingeschrieben bleibt.