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[40]

Ebd., S. 81f.

[41]

Bredekamp 2005 (Anm. 13), S. 14ff.

 

Auch hier ist es also wieder nicht die eindeutige und klare Referenz, sondern  das Unbestimmte, das die Rolle des Modells definiert. Eine Repräsentation, die nichts zu wünschen übrig lässt, wäre demnach überhaupt nicht als Modell zu bezeichnen, sodass im Umkehrschluss das Unbestimmte als ein wesentlicher Bestandteil des Modellseins erscheint. Und auch bei Rheinberger bedingt die Unbestimmtheit letztlich eine Art scheinbarer Unmittelbarkeit, infolge derer die Grenzen des Modells zu seinem Bezugsgegenstand verschliffen werden: «Das Modell ist Teil des Modellierten, und das Modellierte ist selbst immer schon ein Modell.» [40]

Dass die Unbestimmtheit des Modells zu einer gesteigerten Unmittelbarkeit führen kann, wurde an der Pippo-Anekdote und an Schrödingers Proteusvergleich deutlich. Am eingangs diskutierten Beispiel der Diliberazione della guerra di Siena wird jedoch überdies klar, dass auch das Gegenteil gilt: Der Versuch der Herstellung eines Modells, das seinem Bezugsgegenstand in jeder Hinsicht entspricht, führt zum Verschwimmen der Unterschiede und zu einem Hybriden, dessen Potential zur Erzeugung von Illusionen nicht etwa ausgeschaltet ist, sondern vielmehr ultimativ gesteigert erscheint. Je exakter die Abbildung ist, je weniger die Unterschiede zwischen Modell und ‹Original› bemerkbar sind, desto stärker wird zum einen die Gefahr der Verwechslung, infolge derer sich das Modell an die Stelle des Modellierten zu setzen vermag, [41] desto weiter klafft aber auch die Differenz zwischen der konkreten Verfasstheit des Modells und demjenigen auf, was es zeigt. Je passiver sich das Modell als Abbildung eines anderen Gegenstandes auszuweisen scheint, desto mehr intensiviert sich letztlich seine Unbestimmtheit, vor der dann, wie dies vor den Augen Cosimos I. geschieht, zwischen Modell, Bild und Bezugsgegenstand nicht mehr unterschieden werden kann.

Im Falle der Pippo-Anekdote und des Proteusvergleichs ist die Unmittelbarkeit ein Art Nebenprodukt der Unbestimmtheit des Modells. Im Falle des Modells von Siena erscheint die Unbestimmtheit hingegen als das Nebenprodukt des Versuchs, zu einer abbildlichen Unmittelbarkeit zu gelangen. Jenseits dieser erwartungs- und vorgehensbedingten Unterschiede jedoch erweist sich in beiden Situationen die Unbestimmtheit der Modelle als der Preis für die Unmittelbarkeit ihrer Referenz. Vasaris Gemälde im Salone dei Cinquecento weist diese Zusammenhänge ebenso wie die Pippo-Anekdote exemplarisch und auf überaus beredte Weise aus, indem sie das Wechselspiel zwischen Bild und Modell als Interpretament aufrufen. In beiden kommt Vasaris anspruchsvolles Verständnis der Rolle von Modellen in Entwurfs- und Planungsprozessen zum Ausdruck, das nicht zuletzt bereits den Nukleus für das Verständnis wissenschaftlicher Modelle in sich trägt.

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