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Im wenig später begonnenen Manuskriptbuch 117 [35] findet sich auf Seite 86, innerhalb der Übertragung der schriftlichen Aufzeichnungen aus dem Band 118, auch eine Variation der Tangentenzeichnung [Abb. 5].

Sie zeigt, wie Wittgenstein die Diskussion dieses Problems gleich mit drei verschiedenen Entwürfen weiter entwickelt hat, wobei der mittlere, wie in der Faksimile-Version deutlich zu erkennen ist, vorher noch eine Unterteilung der Tangentendarstellung im Sinne des ersten Entwurfs aufwies, also durch schwarz-weisse Quadrate segmentiert war, die später übermalt wurden. Wir haben es hier also mehrfach mit dem Thema des zeichnerischen Regelfolgens und seinem produktiven Eigensinn zu tun. Denn die Zeichnungen stehen als serielle Entwürfe auf einem Tagebuchblatt, das, wie textuell dokumentiert werden kann, eine Nachzeichnung eines anderen Manuskriptbuches vornimmt.

So steht also eine Vorzeichnung in Beziehung zu drei Varianten des Nachzeichnens, womit bereits die Offenheit des Regelfolgens in ihrer Produktivität ebenso dokumentiert wird wie die Ähnlichkeit des Motivs den gleichbleibenden Bezug auf eine Ursprungszeichnung offenlegt. Die Dreiergruppe breitet ein Spektrum von Varianten aus, die gleichwohl noch im Rahmen einer früheren Vorzeichnung ‹angedacht› sind, zumindest solange die übliche Rezeption ihr diese Regelhaftigkeit noch zugesteht – vgl. das Zirkelbeispiel. Andererseits tritt aber auch hier bereits eine implizite Ebene des Regelfolgeproblems auf. Denn in bestimmter Weise folgt die zweite Zeichnung der Serie [Abb. 5] ja nicht nur der Zeichnung aus dem früheren Manuskriptbuch, sondern ebenfalls der links neben ihr stehenden ersten Zeichnung der Serie. Mit jeder neuen Zeichnung der Serie wird die Originalität der chronologisch ersten Zeichnung demontiert, weil ein neues Exemplar gleichen Typs, die angenommene Geltung einer regelgebenden Vorlage infrage stellt.

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