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Das Motiv des Linkischen und das des Ungebärdigen konturieren die Beziehung zwischen vor- und nachzeichnender Hand. Sie gehören zusammen, weil sie gleichermassen Formen einer Abweichung im Kontext einer Nachahmung thematisieren. Während das Linkische mit der Unmöglichkeit seiner Reproduktion eigentlich die Autonomie der Vorzeichnung betont, die implizit immer auch eine Autonomie der Nachzeichnung als einer Zeichnung ist, benennt das Ungebärdige mit den produktiven Abweichungen jeder Reproduktion die Autonomie der Nachzeichnung, die hier in der Fähigkeit eines zeichnerischen Handelns besteht, Neuartiges zu generieren und damit implizit auch die Vorzeichnung betrifft. Zwischen linkischer Vor- und ungebärdiger Nachzeichnung spannt sich so ein ganz unbekanntes Beziehungsgeflecht auf, das Wittgenstein, wie ich meine, unter dem Thema des Regelfolgens diskutiert hat (II.), das sich aber auch in seinen eigenen Zeichnungen wiederfinden lässt (III.).

II. Regelfolgen (als Nachzeichnen)

Die Rezeption von Wittgensteins Spätphilosophie hat sich ausführlich mit dem Thema des Regelfolgens befasst. [7] Hier interessiert nun jedoch, dass Wittgensteins Beispiele fast ausnahmslos von Zeichnungen bzw. dem Verhältnis des Vor- zum Nachzeichnen handeln. [8] Damit wird eine Asymmetrie angesprochen, die zwischen den zeichnerischen Bewegungen einer früheren Hand und denen einer späteren, ihr in irgendeiner Weise folgenden besteht. So lohnt es sich, für ein Verständnis der möglichen Bezugnahme einer zweiten auf eine erste Hand hier anzuknüpfen, um die zahlreichen Bindungen zu diskutieren, die zwischen ihnen vorkommen können. Wittgensteins Beispiele zum Nachzeichnen gehen nun keineswegs von einem statischen Begriff des Regelfolgens aus, der nur noch illustriert werden müsste, vielmehr dienen umgekehrt die Hinweise auf diverse Situationen des Nachzeichnens, die durch technische oder instrumentell koordinierte Linien ebenso wie durch Freihandlinien erfolgen und auch fiktive Subjekte wie «Höhlenmenschen» oder «Schimpansen» als Handlungsinstanzen einsetzen, der gezielten Erschütterung des Ausdrucks selbst und seiner verschiedenen begrifflichen Verwendungsweisen:

«Betrachten wir sehr einfache Regeln. Der Regelausdruck sei eine Figur, etwa die:

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und man folgt der Regel indem man eine gerade Reihe solcher Figuren zeichnet (etwa ein Ornament).

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