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(iii) Aspektwechsel: Die neue Einsicht entsteht durch einen Wechsel im Funktionswert eines Elements der Konstruktionszeichnung; ein und dieselbe Linie spielt dann in zwei unterschiedlichen Diagrammen jeweils eine unterschiedliche Rolle und der Beweis macht Gebrauch von eben diesem Rollenwechsel.

11. Diagrammspiele: Das hier behandelte ‹Beweisbild› zum Nachweis der Größe der Innenwinkel fußt in seiner Demonstrationskraft auf einem bei Euklid früher entwickelten Beweisbild über die Entstehung von Wechselwinkel, immer dann, wenn eine Gerade Parallelen durchschneidet. Nicht nur sind die Diagramme selbst stets eine Kombination von sprachlichen und ikonischen Elementen, nicht nur sind sie eingebettet in Texte, damit also nicht selbsterklärend und nicht nur realisieren Diagramme gewisse ‹schweigenden Vorgaben› wie Zeichnungen gemäß gegebener Konventionen auszuführen und zu deuten sind, sondern überdies beziehen Diagramme sich zumeist auf andere, auf frühere Diagramme.

Wir können daraus schließen: Es gibt nicht ‹das Diagramm›. Diagramme bekommen ihre Rolle in ‹Diagrammspielen›, in denen auf komplexe Weise Ikonisches und Sprachliches, Sinn und Sinnlichkeit, Begriff und Anschauung, Historisches und Systematisches, Explizites und Implizites sich durchdringen. Eine Untersuchung von Diagrammen wird aufschlussreich nur als Untersuchung von historisch situierten diagrammatischen Praktiken, eben: von Diagrammspielen.

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